Vitensammlung

2 Jc 1837 [3 an

Vita D. Godehardi episcopi Hildeshemensis

Mainz: Albinus, 1616

VD 17: 12:641889B

 

Diese frühneuzeitliche Ausgabe der Vita Godehards wurde von dem Jesuiten Christoph Brouwer (1559-1617) besorgt. Sie ist Teil eines Sammelwerkes, in dem der Historiker eine Reihe weiterer Lebensbeschreibungen bedeutender Heiliger im Druck zugänglich macht. Brouwer lehrte Philosophie an der Universität Trier, er arbeitete aber vor allem als Historiker und gehörte den Bollandisten an.

Die Bollandisten waren eine Gruppe von Wissenschaftlern, die nach dem Niederländer Jean Bolland (1596-1665) benannt wurden. Jesuiten und Theologen wie er verfolgten in diesem Netzwerk gemeinsame, gesellschafts- und kirchenpolitische Interessen: In der zeitgenössischen Auseinandersetzung zwischen der Katholischen Kirche mit dem Protestantismus sowie dem sich parallel entwickelnden Rationalismus gerieten die Heiligenleben, die die Überlieferung und damit auch die Positionen des Katholizismus über Jahrhunderte maßgeblich prägten, in Verruf, nicht zuletzt mit Blick auf ihren wissenschaftlichen Wert.

Dem wollten die Bollandisten entgegenwirken, indem sie die vorhandenen Originaltexte mit den wissenschaftlichen Methoden ihrer Zeit sichteten und als Quellen mit Blick auf Inhalte und Überlieferung kritisch edierten. Die Textvorlagen der zumeist handschriftlichen Originale wurden möglichst beibehalten und orthographisch, etymologisch oder erläuterungsbedürftige Passagen durch Randbemerkungen erschlossen.

Bollandisten wie Christoph Brouwer legten mit ihren Quelleneditionen die ersten vor, die an wissenschaftlichen Standards orientiert waren. Für das Genre der Heiligenlegenden publizierten sie ein eigenes, kontinuierlich erweitertes Quellenkorpus, die Acta Sanctorum, an der über mehr als dreihundert Jahre gearbeitet wurde. Diese lieferten für Generationen von Historikern eine unerlässliche Quellenbasis, die auch heute noch genutzt wird und inzwischen online zugänglich ist.

Durch seine Forschungen brachte Brouwer ein umfangreiches Oevre hervor. Ein halbes Leben lang arbeitete er an einer Geschichte des Erzbistums Trier, für die er über seine Zeit hinaus bekannt geworden ist. Darüber hinaus galt sein Interesse der lateinischen Dichtung des Mittelalters, wie seine Editionen der Werke des Venantius Fortunatus, ein spätantiker Dichter und Bischof von Poitiers, sowie des frühmittelalterlichen Universalgelehrten, Abt von Fulda und Erzbischof von Mainz Hrabanus Maurus bezeugen. Schließlich beschäftigte er sich wie andere Bollandisten intensiv mit den Heiligenlegenden.

Für Brouwer ließen die Vita Godehardi und andere Beispiele, so der Titel des vorgestellten Sammelwerkes, ihre Protagonisten als „Sterne“ erkennen, deren „Taten“ „Deutschland … zur Ehre … gereichten“ (sidera illustrium et sanctorum virorum qui Germaniam praesertim Magnam olim rebus gestis ornarunt, e manuscriptis in lucem eruta).

 

Brouwer arbeitete gemäß den bollandistischen Standards: Er benutzte die jeweils vor Ort vorhandenen Originalquellen und machte sie als Teil seiner wissenschaftlichen Publikationen, aber auch als eigene Druckwerke zugänglich; die Quellenedition enthält Randbemerkungen mit Zusatzinformationen oder Erläuterungen. Davon zeugt auch die Edition der Godehard-Vita.

Als Grundlage seiner Edition des Werks weist Brouwer auf eine Abschrift hin, die er vom Rektor des Hildesheimer Jesuitenkollegs, Nikolaus von Hunecken, erhalten habe; des Weiteren benutzte er einen Leipziger Druck der Vita Godehardi, der 1518 in der Leipziger Werkstatt von Wolfgang Stöckel hergestellt wurde und den er aus dem Hildesheimer Godehard-Kloster erhalten habe.